Perspektivisch zeichnen für Anfänger (Tutorial, Teil 1)
Die Kenntnis des perspektivischen Zeichnens ist eine fundamentale Grundlagen des realistsichen Zeichnens. Unter „Perspektive“ versteht man in der Kunst die Eigenschaft von Gegenständen und Räumen, sich mit zunehmender Entfernung zu verjüngen, also kleiner zu werden. Dass auch das Sehen des menschlichen Auges perspektivisch funktioniert, ist es relativ einfach, diesen „Seheindruck“ als realistische Zeichnung auf ein Papier zu bannen.
Grundlagen, um Perspektive in Bildern zu verstehen
Das Grundprinzip ist einfach: je weiter die Dinge vom Auge entfernt sind, um so kleiner werden sie. Das hat mit den physikalischen Eigenschaften von Linsen zu tun – die lichtbrechenden Teile des Auges (sog. dioptrischer Apparat) funktionieren im Grunde wie eine zusammengesetzte Sammellinse.
Bei einer perspektivischen Zeichnung sieht man die Verjüngung (fließende Verkleinerung) nicht von der Seite wie in der Abbildung oben, sondern von vorn. Man blickt also – logischerweise – durch das eigene Auge.
Um einen solchen Seheindruck nachzuzeichnen, braucht man ein paar einfach Dinge:
- Horizontlinie – das ist die Linie, die (theoretisch) den Übergang zwischen Erde und Himmel am weit entfernten Horizont bildet. Oft ist die Horizontlinie nicht wirklich im Bild zu sehen, dann muss man sie denken bzw. als Konstrukt anlegen.
- Fluchtlinien – das sind Linien, die – vom eigenen Auge aus gesehen – nach hinten, also in die Ferne verlaufen.
- Fluchtpunkt – das ist ein Punkt, auf den mehrere Fluchtlinien zulaufen und in dem sie sich kreuzen. Bei Gebäude, die auf der Erde stehen, liegt der Fluchtpunkt auf der Horizontlinie.
Tutorial (Zeichen-Übung): Perspektive zeichnen
Im Folgenden wird eine einfach perspektivische Zeichnung Schritt für Schritt erstellt und die Zeichenschritte jeweils erläutert. Zur Übung kann man das Ganze auf einem Blatt Papier mit Bleistift nachzeichnen. Zunächst eine „Einpunkt-Perspektive“, die so heißt, weil es nur einen Fluchtpunkt gibt. Man nennt sie auch „Zentralperspektive“ oder „Fluchtpunktpersektive„.
Schritt 1: Horizontlinie und Fluchtpunkt
Als erstes zeichnet man eine Horizontlinie und setzt einen Fluchtpunkt:
Fluchtlinien
Als zweites zeichnet man zwei Hilfslinien (gestrichelt), die die Außenkanten unseres Kastens auf dem Fußboden begrenzen.
Im dritten Schritt zeichnen wir die Linie für die untere Vorderkante des Kastens. Sie soll parallel zur Horizontlinie verlaufen. Dieses ist die erste „echte“ Linie unseres späteren Kastens.
Hintere Objektbegrenzung (Grundriss)
Als nächstes zeichnen wir – erneut parallel zur Horizontlinie – die hintere Begrenzung des Kastens:
Wenn die hintere Linie und damit die „Tiefe“ des Kastens geklärt ist, können wir die beiden Hilfslinien außen zwischen vorderer und hinterer Begrenzung als Ausenkanten des Kastens zeichnen – und haben damit den Grundriss bzw. Fußboden angelegt – und zwar exakt perpektivisch konstruiert.
Den Raum „erobern“
nachdem der Grundriss geklärt ist, muss nun der Raum erschlossen werden. Dafür legen wir zunächst zwei Hilfslinien an, die von der linken und rechten vorderen Ecke senkrecht nach oben verlaufen:
Nun müssen wir die Höhe des Kasten festlegen und eine entsprechende Linie zeichnen, die die obere Vorderkante des Kastens bildet. Dann können die beider vorderen Außenkanten – die bislang nur als Hilfslinie dastehen, nachzeichnen:
Nun steht die vordere Wand. Es fehlt noch die hintere Wand, die wir nach dem gleichen Vorgehen restellen: zunächst zeichnen wir zwei vertikale Hilfslinien, die durch die beiden hinteren Ecken verlaufen.
Nun kommt ein wichtiger Schritt: die exakte Höhe der hinteren Wand ermittelt man, indem man zwei Fluchtlinien zeichnet, die durch den Fluchtpunkt und die vorderen Ecken gehen. Die hinteren Ecken müssen zwingend genau auf einer dieser Fluchtlinien liegen.
Aus diesen Hilfs- und Fluchtlinien kann man nun die Oberseite des Kastens zeichnen, der nun als Objekt in einem Bildraum steht, eine 3d Zeichnung.
Abschließend kann man noch die hinteren Außenkanten nachzeichnen – oder entsprechend wegradieren, je nachdem, aus welchem Material die Wände sein sollen (durchsichtig oder undurchsichtig).
Man kann zum Beispiel ein Aquarium daraus machen:
Soviel für heute. Weitere Themen:
- Perspektivisch zeichnen für Anfänger (Tutorial Teil 1)
- Schachbrett perspektivisch zeichnen (Tutorial Teil 2)
- Zweipunkt-Perspektive: schräge Objekte, Quader (Tutorial Teil 3)
- Dreipunkt-Perspektive: Frosch- Vogelperspektive (Tutorial Teil 4)
- Vielpunkt-Perspektive: Verwinkelte Gassen (Tutorial Teil 5)
Eine ähnliche Anlietung habe ich bereits vor ein paar Jahren verfasst, allerdings viel ausführlicher und komplexer, siehe Perspektive zeichnen.
Kommentare
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Ewald Ulrich 7. April 2017 um 16:04
Hallo,
ich zeichne (besser male) am PC. Nach vielen Prüfungen möglicher Programme bin ich bei ‚My Paint‘ hängen geblieben. Ich will auch dabei bleiben. Es hat viele Vorteile, aber auch Nachteile. Ihre Anleitung ‚Perspektive‘ ist toll. Was ich mich oft fragte: Soll ich in Zukunft die ganze Korstruktion (Fluchtlinien, Horizontallinie, Fluchtpunkt u. weiteres) malen (auf einen Layer/Ebene) und hinterher löschen oder ausblenden, oder soll ich die ganze Korstruktion als intuitive Hilfe (Vorstellung vom Malgegenstand/Bild) nutzen und gleich mit dem Pinsel nach dieser Vorstellung malen? In einem weiteren Schritt kann ich dann noch nötige Linien (im 1. Schritt vergessen od. vernachlässigt) ändern (perspektivisch anpassen). Radieren am PC ist ja sehr einfach. Von dieser Systematik/Philosophie habe ich bis jetzt nie was gelesen. Wäre sie nicht einen Gedanken wert, oder birgt sie Gefahren? Deswegen frage ich Sie. Bis jetzt male ich meine Bilder im Stil ‚Expressionismus’u. ohne jegliche Perspektiv-Korstruktion. Eine Winkelabweichung (von einem kostruierten Winkel) mag dadurch manchmal etwa 2° bis 5° betragen. Meine Philosophie ist auch: ‚So grob wie möglich und so fein wie nötig‘.
mfG
Ulrich
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