Realistisch zeichnen oder malen erfordert Sehen lernen
Viele Menschen sind von Bildern fasziniert, die Bilder aus der Natur realistisch darstellen. Die realistische Wiedergabe der Natur hat in der Kunst eine lange Tradition. Mit dem aufkommen der Fotografie in der Mitte des 19. Jahrhunderts haben sich jedoch die Aufgaben und kriterien der Kunst verschoben. Heute ist das handwerkliche Können, das zur exakten realistischen Umsetzung erforderlich ist, im Kunstkontext weitestgehend unwichtig.
Realistisch zeichnen und malen – Wie geht das?
Gleichwohl möchten viele Anfänger und Hobbymaler gerne realistisch zeichnen und malen können. Sie stellen sich oft solche Fragen: Kann man Zeichnen lernen? Wie kann ich realistisch zeichnen? Warum sieht mein Bild nicht „richtig“ aus? „Ich will malen und zeichnen können – aber wie geht das?“… oder so ähnlich. In diesem Artikel wird ein Ansatz vorgestellt, der es jedem ermöglicht, seine handwerklichen Fähigkeiten bei der Umsetzung von realistischen Bildern zu verbessern bzw. zu perfektionieren. Und lustigerweise hat das gar nichts mit Handwerk zu tun, sondern es ist eher ein Sehwerk. Das Zauberwort heißt: Sehen lernen.
Sehen lernen
Ich habe den Ansatz schon vor einiger Zeit auf meiner Website beschrieben: „Die Kunst, Zeichnen zu lernen„. Das entscheidende ist, das man üblicherweise am falschen Punkt ansetzt. Die meisten Menschen, die glauben, nicht zeichnen zu können, sehen das Problem in den Fähigkeiten ihrer Hand. Meine Hand zeichnet nicht, was ich möchte. Dabei sollte man bedenken: die meisten Menschen können auch schreiben. Und das erfordert eine hohe Kontrolle der Hand. Also, die Hand ist nicht das Problem. Sie könnte es, wenn sie nur wüsste, was. Das Problem ist das „Sehen“. Wer realistisch zeichnen oder malen möchte, der muss „Sehen lernen“.
Sehen lernen bedeutet, dass man im Bild eine Idee von Längen, Richtungen und Winkeln hat. Von Helligkeit und Dunkelheit. Man muss quasi das Bild, das man vor augen sieht, im Kopf schon abstrahieren. Dann kann man es auch ohne große Problem zu Papier bringen.
Die Natur beobachten – Jeder kann zeichnen und malen lernen
Um diese Art des Sehens zu üben, braucht man eigentlich nichts weiter außer Zeit und Geduld. Das Prinzip ist einfach: Setzen sie sich irgendwo hin. Beobachten Sie, was Sie sehen.
- Fixieren Sie einen Punkt und spannen Sie einen virtuelle Rahmen um diesen Punkt, der die Außenkanten des Blattes bildet.
- Prägen Sie sich genau ein, was in die vier Ecken dieses Blattes gezeichnet werden muss.
- Zeichnen Sie nun ein paar grobe, markante Linien – wie gesagt: alles nur im Kopf, vor ihrem geistigen Auge.
- Betrachten Sie nun die virtuelle Zeichnung und korrigiren Sie ggf. den Ausschnitt.
- Wiederholen Sie dieses „Zeichnen im Kopf“ immer wieder und beginnen Sie, nun auch Details zu beobachten.
- Zeichnen Sie die Details im Geiste immer erst als grobe Flächen. Beobachten Sie genau die Form der Flächen.
- Sie können dabei Ihre Finger oder einen Stift als Hilfsmittel benutzen, um die Ausmaße von Linien zu vermessen und zu vergleichen.
Wiederholen Sie diese Übung wieder und wieder. Sie werden sehen, dass Sie es können. Und es wird Sie ermutigen, es auch mit einem Stift auf Papier zu versuchen.
Kurse zum Malen und Zeichnen lernen
Die beschriebene Methode wird mit Sicherheit Erfolge zeigen, wenn Sie es einige Male wiederholt haben. Aber es macht darüber hinaus viel Sinn, auch Zeichen-Kurse oder Malkurse an Volkshochschulen oder bei Künstlern zu besuchen. Der Grund ist einfach: In diesen Kursen kann man sich mit Gleichgesinnten austauschen. Das fördert die Reflexion der eigenen Arbeiten und macht auch Spaß. Falls nicht, wechseln Sie den Kurs.
Kommentare
Realistisch zeichnen oder malen – Topsy.com 23. September 2009 um 11:40
[…] Dieser Eintrag wurde auf Twitter von Martin Mißfeldt und Martin Mißfeldt. Martin Mißfeldt sagte: [Blog] Realistisch zeichnen oder malen erfordert Sehen lernen -> http://bit.ly/17JEGG […]
Frauke Klinkforth 24. April 2010 um 00:01
Beim Lesen Ihres Blogs fühle ich mich zurückversetzt in mein 16. Lebensjahr. Ich bekam Unterricht bei Uwe Till und ich mußte Holz, Stein und Rost mit Bleistift und Feder zeichnen. Die volle Konzentration war gefordert und das Ergebnis konnte sich sehen lassen. Leider bin ich von dieser Art de Malens ganz abgekommen und ich ertappe mich des Öfteren bei dem Gedanken, dass ich noch mal von vorn anfangen könnte.
Danke für diesen Blog, ich werde noch oft reinschauen.
Gruß
Frauke Klinkforth
Zeitig 22. November 2012 um 12:13
Ausgezeichnet! Eine „Anleitung“ die mit der Einfachheit gewinnt. Für solche Hinweise zahlt man anderswo unter Umständen einen Haufen (Lehr-)Geld. Der Abschnitt: „Die Natur beobachten“, enthält bereits schon die Essenz des Zeichens. Dann gilt: „Übung macht den Meister.“
Ich habe bei einem regionalen Künstler in 4 Lektionen mehr über das Zeichnen und Sehen gelernt als beim „akademischen Lernen“. Ich hoffe das ändert sich noch, denn der Preis ist beim zweitgenannten um ein vielfaches höher. Will sagen, nicht das „Renomme“ oder die Höhe des Schulgeldes entscheidet über den Erfolg bezüglich des Lernfortschritts. Die didaktischen Fähigkeiten und Methoden des jeweiligen Leiters können entscheidend sein. Ausserdem sind kleine Gruppen oder sogar Einzellektionen besser als ein „Betriebsklima“. Nicht jeder Künstler ist auch ein guter Lehrer, nicht jeder gute Lehrer ein Künstler. Von daher gehe ich mit dem Schlussatz des letzten Abschnittes einig. Der Glücksfall ist wohl der, dass man auf einen Künstler trifft der ebenfalls ein begabter Lehrer ist.
Ich darf diese Seiten weiterempfehlen.
Sascha Riehl 4. Juni 2018 um 13:56
Ich kann diesem Eintrag wirklich nur beipflichten! Auch ich konzentriere mich seit einiger Zeit vor allem auf das Sehen und Beobachten und mache seitdem enorme Fortschritte im Bereich der Illustration. Es gleicht einem Blick über den Tellerrand und dem Verlassen der Komfortzone: Nicht zu versuchen, das Handwerk zu schulen, sondern beim besseren Verständnis anzusetzen. Und das erreicht man in erster Linie durch Beobachtung. Die Natur verstehen und dabei vom Groben ins Feine gehen. Ein offener Blick ist ein ganz wesentlicher Schlüssel zum Erfolg. Die hier beschriebenen Techniken zur Herangehensweise finde ich sehr interessant!
Louise 14. Januar 2019 um 12:01
Sicher muss auch die Observation erlernt werden. Nicht jeder Mensch ist dazu gemacht, dass er auf Anhieb alle Details erkennt. Es gibt aber einige, die dafür eine besondere Begabung zeigen.
Simon 22. März 2019 um 17:10
Ein echt interessanter Beitrag. Das richtige „Sehen“ von dem, was man zeichnen möchte, ist wirklich eine große Herausforderung. Und das Gesehene dann auch noch aufs Papier zu bringen, ist nochmal ein großes Thema. :) Mir hilft es da, immer wieder ein Stück von meiner Zeichnung zurückzutreten, um zu überprüfen, ob ich wirklich noch das zeichne, was auf meiner Vorlage ist, also ob die Proportionen stimmen, und so weiter und so fort. :) Und das Zeichen-Workshops eine super Sache sind: Da kann ich nur zustimmen, mir haben die bisher sehr geholfen. :)
Chabi 6. Juli 2019 um 20:28
Um „richtig zu sehen“ habe ich anfangs ein Hilfsgitter genutzt (heute ebenfalls noch gerne). Dies sorgt für weitere Orientierungspunkte und entlastet enorm. Ansonsten finde ich es hilfreich ein Bild in ein Schwarz-Weiß-Motiv umzuwandeln. Dadurch werden die einzelnen Tonwerte besser erkennbar.